Eiszeit auf Amrum, © KQuedens© KQuedens

Erdgeschichte ist spannend, insbesondere wenn man sie »hautnah« erfahren kann – wie hier auf den Geestinseln Amrum, Sylt und Föhr. Aber fangen wir am besten von vorne an: vor 5 Mio Jahren, während der Epoche des »Pliozäns« herrschte hier ein subtropisches Klima. Skandinavien war mit Norddeutschland fest verbunden, die Ostküste der Nordsee lag viel weiter nordwestlich und unsere Inselwelt gab es noch nicht.
Am Ende des »Tertiär« kam es zu einer Temperaturabnahme mit der Bildung von Eiszeiten. Im »Quartär« bildeten sich streckenweise gewaltige Inlandseismassen, die hauptverantwortlich für das heutige Erscheinungsbild Amrums sind.
Also ist Amrum gar nicht so alt, wie man vielleicht glauben könnte! Zumindest, wenn man sich die gesamte Erdgeschichte betrachtet!
Um genau zu sein: erst vor 200.000 bis 130.000 Jahren schoben die gewaltigen Gletscher der Saale-Eiszeit – aus Skandinavien kommend – unvorstellbare Erdmassen und Gerölle vor sich her, um diese bei uns abzulegen. Ohne diese Eiszeit gäbe es gar keine Nordseeinseln, allerdings auch kein Schleswig-Holstein und auch kein Dänemark. Wer auf Amrum spazieren geht, wandert demnach auf skandinavischem Erdboden. 
Dabei lässt sich sogar nachweisen, wo dieser Boden genau herkommt: da haben wir z.B. Rapakivi-Granit aus Finnland, Rombenporphyr aus Norwegen und Sandstein aus Schweden und von der Insel Bornholm. Durch den Transport, der sich pro Tag ca. 30 km (!) in Richtung Amrum bewegte, wurden tonnenschwere Findlinge stark abgerundet.


Die Insel besteht aus einer Saale-Eiszeitlichen Altmöräne, die sich zwischen Norddorf und der Linie Leuchtturm-Steenodde im Süden sowie zwischen der Westküste und dem Wattufer abgelagert hat. Die Mächtigkeit der eiszeitlichen Ablagerung ist mancherorts über 50 m tief! Eine 1931 in Wittdün durchgeführte Bohrung zeigte erst bei ca. 60 m Tiefe Glimmerton aus dem Tertiär.
Und diese Moräne ist fast 18 Meter hoch über dem Meeresspiegel am Mühlenhügel bei Nebel und am Eesenhuug (Asen-Hügel) bei Steenodde aufgelagert. 
Der Amrumer Geestkern dehnte sich ursprünglich weiter nach Westen aus wurde aber durch den Anstieg des Meeres seit dem Ende der letzten Eiszeit durch Brandungstätigkeit zurückgesetzt. 
Findlinge, die möglicherweise auf jungsteinzeitliche Grabkammern hindeuten, tauchen bei tiefer Ostwind-Ebbe vor dem Norddorfer Strand auf.
Nach dem Abklingen der Saale-Eiszeit wurde das Nordseebecken zum Großteil vom sogenannten Eem-Meer (Eem-Warmzeit) überflutet, wobei sich zwischen Sylt, Amrum, Föhr im Norden und Eiderstedt im Süden eine zusammenhängende Halbinsel bildete. Ein Meeresarm (Heverstrom) drang östlich dieser Halbinsel bis in den Raum von Husum vor und der Meeresspiegel lag etwa 7 m unter dem heutigen Niveau.
Eine neue Kälteperiode von etwa 115.000 bis 11.000 vor unserer Zeitrechnung führte zu einer abermaligen Senkung des Meeresspiegels. Doch die Getscher dieses bislang letzten Eisvorstoßes erreichten die Nordseeküste nicht mehr. Sie endeten an der schleswig-holsteinischen Ostküste und hinterließen dort die charakteristische Moränenlandschaft. Die Schmelzwasser der zurückweichenden Gletscher haben aber die Nordseelandschaft geformt und dabei auch die Geestkerne von Amrum und Föhr auseindergeschnitten.
Mit dem Ende der letzten Eiszeit (Weichseleiszeit) kam es zu einer allmählichen Überflutung und somit zu einer landschaftlichen Umformung dieses Raumes. Auf Sylt wurde durch den Druck der Eismassen der tertiäre Untergrund (Morsum-Kliff, Rotes Kliff) stellenweise aufgestaucht.


Der Amrumer Geestkern wurde während der Flandrischen-Transgression – etwa um 5000 vor Chr. – durch Erosion der steigenden Nordsee tangiert und dabei entstand das Litorina-Kliff im Westen der Insel und im Osten das Steenodder Kliff. Das Litorina-Kliff, das sich südlich des Quermarkenfeuers bis südwestlich des großen Leuchtturmes hinzieht, ist durch vorgelagerten Dünen vor weiterem Abbau geschützt, während es beim Steenodder Kliff bei Sturmfluten immer wieder zu Abbrüchen kommt und dann eiszeitliches Moränenmaterial sichtbar wird.
Im Lee der Insel bildeten sich durch Ablagerung und Aufschlickung großflächige Marschen, wobei es nach Aussüßung des Grundwassers zur Bildung von Hochmooren mit Schilffeldern und Waldungen kam. Noch heute findet man im Watt vereinzelte Stubben, darunter die von Eichen. Reste eines jungsteinzeitlichen Birkenwaldes zwischen Amrum und Föhr wurden 1947 abgegraben und als Brennstoff genutzt.
Während der Dünkirchner Transgression stieg der Meeresspiegel noch einmal von -2 Meter NN auf das heutige Niveau wobei vorzeitliche Marschen- und Moorflächeen überflutet wurden, sich Schlick ablagerte und allmählich das Wattenmeer entstand.
Als unmittelbare Folgen der Dünkirchener Transgression können die großen Sturmfluten 1362 und 1634, die das Landschaftsbild der Nordseeküste besonders prägten, gesehen werden.

Die Dünen
Die Dünen sind die jüngste Insellandschaft und entstanden erst vor ca. 600 Jahren. Dabei begruben sie viele Spuren der Vor- und Frühgeschichte. 
Die Geologen sind sich nicht einig über die Herkunft der gewaltigen Sandmassen, die fast die Hälfte der Inselfläche bedecken. Woher holten sich Wellen und Wind diese Sandmengen? 
Vielleicht steht die Dünenbildung in Zusammenhang mit der „kleinen Eiszeit“ (14.-17. Jahrhundert), die für das Absinken des Meeresspiegels und so zu einer Freigabe einer breiten Sandzone sorgte.
Auch auf Sylt sind die Dünen nachweislich erst nach dem 14. Jahrhundert entstanden. 

Der Kniepsand
Auch der Kniepsand als möglicher „Sand-Lieferant“ für eine Dünenbildung existierte zu jener Zeit noch nicht. Er hatte nur im Südwesten Anschluss an die Inselküste und lag als schmaler Nehrungsarm fast im rechten Winkel zur Insel. Erst im Laufe des 18./19. Jahrhunderts wanderte dieser Sandarm dann parallel vor die Westküste Amrums. Im Norden der Insel lagerte sich mit der Dünenbildung Seesand ab und es entstand die Amrumer Odde. Gleichzeitig bildete sich im Süden die Amumer Südspitze. Im Windschutz dieser „Nehrungen“ entstanden unter dem Einfluss der Gezeiten kleinere Marschenflächen und Salzwiesen.

Entstehung Amrum Karte, © KQuedensGalerie öffnen© KQuedens
Eiszeit auf Amrum Odde, © KQuedensGalerie öffnen© KQuedens
Eiszeit auf Amrum, © KQuedensGalerie öffnen© KQuedens
Entstehung Amrum Steenodder Kliff, © KQuedensGalerie öffnen© KQuedens
Entstehung Amrums Dünenwelt, © KQuedensGalerie öffnen© KQuedens

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23.11.2020 - Kai Quedens